Interview für Der Wiener Psychoanalytiker

Das Interview für das Online-Magazin „Der Wiener Psychoanalytiker“ vom 21.02.2018

IM GESPRÄCH MIT

Autor/in: JULIA SKIP-SCHRÖTTER / DWP

In unserer Interviewreihe „im Gespräch mit“ stellen wir kurz die Autoren der Leitartikel vor. Damit wollen wir unseren Usern die Möglichkeit geben, die Leitartikel auch aus einer anderen Perspektive heraus lesen zu können.

Diese Woche freuen wir uns ganz besonders Julia Skip-Schrötter aus Wien, Österreich zu begrüßen.

Julia Skip-Schrötter schloss ihre Studien der Wirtschaftswissenschaften in der Ukraine und in Deutschland ab und arbeitete einige Jahre in Controlling und Finance international tätiger Unternehmen, bevor sie sich entschloss beruflich neue Wege zu gehen.

Das Studium der Psychotherapiewissenschaft an der Sigmund Freud Privatuniversität (SFU) hat Julia Skip-Schrötter ebenfalls erfolgreich abgeschlossen. An der SFU ist sie in der Gender Study Group zum ersten Mal zunächst theoretisch, und anschließend in der Selbsterfahrung, im Traumseminar und in der Großgruppe auch hautnah mit der Psychoanalyse in Berührung gekommen. Im Sommer 2011 hat sie mit dem Fachspezifikum Psychoanalyse (SFU/PSI) begonnen.

Ihre ersten klinischen Erfahrungen in Begleitung der Menschen durfte sie in der Akupsychiatrie des Otto Wagner Spitals und der Selbsthilfe-Gruppe für Menschen mit Messie-Syndrom sammeln. Seit 2014 arbeitete Julia Skip-Schrötter als Psychoanalytikerin und Psychotherapeutin in Ausbildung unter Supervision zunächst in der SFU-Ambulanz und seit Juni 2017 in zwei freien Praxen: im Herzen Wiens in der Kochgasse 27/4 und mitten drin im Wiener Wald im 14. Bezirk.

Ihre Forschungs- und Arbeitsschwerpunkte liegen in der Tiefenhermeneutik nach Alfred Lorenzer, Psychoanalyse und Kunst, Dynamiken in Gruppen, Körpererleben und psychoanalytische Prozesse, Gender Studies und Migration.

DWP: Was brachte Sie zur Psychoanalyse?

Julia Skip-Schrötter: Spontan würde ich diese Frage reformulieren wollen und danach fragen, wer mich inspiriert hat die Welt der Psychoanalyse zu betreten. Das waren Dr.in Anita Dietrich-Neunkirchner, Mag.a Christa Luger, Dr.in Elisabeth Vykoukal und Felix de Mendelssohn. Diesen Menschen bin ich für die ersten Eindrücke, Erfahrungen und Erlebnisse mit und in der Psychoanalyse dankbar.

Wenn ich jetzt weiter danach fragen würde, was es war, das diese ersten Berührungen mit der Psychoanalyse ausgemacht hat, dann kommt mir die Erfahrung der Fremdheit in den Sinn. Die Psychoanalyse war mir sehr fremd. Das hat mich neugierig gemacht und bewegt hineinzugehen. Die Psychoanalyse in der Psychotherapie steht für mich für eine Migrationserfahrung aus dem Vertrauten ins Fremde.

DWP: Wenn Sie die Gelegenheit zu einem Gespräch mit Sigmund Freud hätten, was würde wohl zum Thema werden? Gibt es konkrete Fragen?

Julia Skip-Schrötter: Mich würde interessieren: Wie hat er sein Leben gelebt? Wie haben sich für ihn die Sitzungen mit Analysand_innen angefühlt; wie ist er mit täglichen Herausforderungen seiner Arbeit umgegangen; was, wer und wie hat ihm geholfen, mit enormen Konflikten in den psychoanalytischen Kreisen selbst und nach außen hin umzugehen? Theoretisch würde ich ihn als Reflektionspartner für die Auseinandersetzung mit Beziehungsentwürfen Dyade, Triade und darüberhinaus im innerpsychischen Erleben und in der gesellschaftlichen Realität gewinnen wollen.

DWP: Stoff- oder Ledercouch?

Julia Skip-Schrötter: Das taktile Erleben des Stoffes ist für mich alternativlos.

DWP: Bruno Bettelheim hat auf die Bedeutung von Märchen hingewiesen – verraten Sie uns Ihr Lieblingsmärchen? Und erkennen Sie Parallelen zur Entwicklung Ihres Lebens?

Julia Skip-Schrötter: Als Kind haben mich georgische Märchen mit Devs fasziniert. Heute rätsele ich über Sujet und Bedeutung eines ukrainischen Märchens: „Колобок – ein rundes Brot”.

DWP: Ich träume…

Julia Skip-Schrötter: Immer wieder (-:

DWP: Was finden Sie an der Psychoanalyse gut bzw. besonders gut und gibt es etwas, was Sie an ihr nicht mögen?

Julia Skip-Schrötter: Die Erfahrung der Bewegung aus dem Unbewussten, wenn es bewusster wird oder als Mitspieler bzw. Regisseur auf der Bühne des Lebens wahrgenommen wird, als bereichernd, tragend, hilfreich, eben wirkungsvoll immer wieder und aufs Neue erleben zu dürfen, bringt mich zum Staunen, erweckt Ehrfurcht und lässt mich tiefe Dankbarkeit spüren.

Der theoretische Reichtum im „Palast“ der Psychoanalyse war und ist mir wichtig: die Unendlichkeit im Erkunden hier ist Programm und das freut mich besonders.

Was ich in der Psychoanalyse vermisse und was mich zu integrativem Arbeiten veranlasst: Hier wird der Körper nur als Sprache begriffen und so nicht angesprochen bzw. nicht begriffen, oder kürzer: das Tabu der Berührung. Mit dem dahinterstehenden Satz: „Es ist ja eben Psycho-Analyse.“

In der Psychoanalyse spielt der Konflikt eine zentrale Rolle. Am Beispiel des psychoanalytischen Vereinslebens und -erlebens bzw. in der Entwicklung der Psychoanalyse -gerade was Wien angeht – führt diese Konfliktbetonung oft zur Unfähigkeit mit dem Konflikt umzugehen oder auch nur umgehen zu wollen. Das finde ich im Beruflichen sehr schade.

Enttäuschend und zugleich ein reizvolles Zukunftsfeld zum Erforschen ist das aktuelle Unvermögen in der Psychoanalyse die Beziehungsentwürfe, bzw. Beziehungskonzepte jenseits des Dyadischen zu entwerfen, zu begreifen, zu denken, zu leben …

DWP: Welchen Herausforderungen mussten Sie sich während Ihrer analytischen Ausbildung stellen?

Julia Skip-Schrötter: Wo soll ich da anfangen? Es waren einfach zu viele (-:

DWP: Haben Sie ein Lieblingszitat von Freud?

Julia Skip-Schrötter: Das Sammeln von Zitaten liegt mir nicht. Viele Texte von Freud haben mich bewegt und zum Denken angeregt. Die Anfangspassagen aus dem Essay „Zeitgemäßes über Krieg und Tod“ haben heute nichts an Aktualität eingebüßt. Das wunderschöne Stück des psychoanalytischen Begreifens eines Kunstwerkes ist für mich „Der Wahn und die Träume in W. Jensens „Gradiva““. Fast noch schöner, weil so viel authentischer und nahe, ist der kurze Text „Der Moses des Michelangelo“.

Es gibt doch ein Zitat, das ich für mich als „Nichts ist so sicher wie die Fähigkeit zur Regression“ zusammengefasst habe: „Aber die primitiven Zustände können immer wieder hergestellt werden; das primitive Seelische ist im vollsten Sinne unvergänglich.“ (aus „Zeitgemäßes über Krieg und Tod“, in: GW X, 337)

DWP: Außer Sigmund Freud, gibt es Psychoanalytiker, mit denen Sie sich auch gerne auseinandersetzen?

Julia Skip-Schrötter: Die Auseinandersetzung mit Goldy Parin-Matthèy hat mich berührt. Sie hat nicht viel geschrieben, aber ein kurzes Interview mit ihr begleitet mich und regt mich immer wieder zum Reflektieren an.

Ähnlich geht es mir mit Donald Meltzer. Sein gemeinsam mit Meg Harris Williams geschriebenes Buch “The Apprehension of Beauty” ist inspirierend für mich.

Hanna Segal und ihre Texte zu Kunst sowie die Arbeiten von Wilfred Bion ziehen mich an und rufen noch …

Herzlichen Dank für dieses Gespräch, wir freuen uns bereits jetzt Alle auf Ihren Leitartikel!